TU Wien Informatics

20 Years

Fehler im System? Wie man Mädchen dauerhaft für Informatik gewinnt

  • By Claudia Vitt
  • 2021-04-22
  • Women in Informatics
  • Social Responsibility

Anlässlich des Girls in ICT Day diskutierte unser Panel darüber, wie man den Frauenanteil in der Informatik erhöhen kann.

Fehler im System? Wie man Mädchen dauerhaft für Informatik gewinnt
Picture: Amélie Chapalain / TU Wien Informatics

Anlässlich des Girls in ICT Day am 22.April 2021 diskutierten unsere Podiumsgäste hybrid im TUtheSky und virtuell via Zoom darüber, warum auch im Jahr 2021 Frauen in der Informatik auf allen Ebenen nach wie vor unterrepräsentiert sind. Welche Fehler im System führen zu dieser seit Jahren bestehenden Situation?

Dekanin Gerti Kappel sprach in ihrer Begrüßung davon, dass der Frauenanteil im Jahr 1979 bei 15 Prozent lag, während er vierzig Jahre später immer noch bei nur 19 Prozent liege. „Diese Zahlen fördern nicht die Freude und machen die Wichtigkeit des Themas offensichtlich.“ Umso mehr schätzte sie das hochkarätig besetzte Podium und „die Zusage von so vielen wichtigen Frauen.” Auch TU Wien Vizerektorin Personal und Gender Anna Steiger sagte in ihrer Eröffnungsansprache: „Es gibt Tage, da habe ich den Eindruck, es geht echt nix weiter.“ Aber sie freue sich über jeden einzelnen Prozentpunkt und danke der Fakultät für Informatik für die vielfältigen Projekte zur Frauenförderung. Sie sei „positiv optimistisch, dass wir die 20 Prozent noch schaffen.“

Fehler im System?

Die Expert_innenrunde beleuchtete aus der Perspektive der Schule, der Informatikdidaktik, der Wirtschaft und der Forschung, wie man Mädchen dazu motivieren kann, Informatik zu studieren und auch in diesem Bereich beruflich Fuß zu fassen. Wie gelingt es, weibliche Studierende in ihrer akademischen Karriere zu unterstützen, vorherrschende Genderklischees aufzulösen und weibliche digitale Vorbilder sichtbar(er) zu machen? Wie können wir sicherstellen, dass Lehrkräfte digitale Grundbildung kompetent vermitteln, und wie binden wir Frauen in den digitalen Wandel unserer Gesellschaft ein?

Darüber diskutierten Linda Arab (Bachelorstudentin und Siemens Award for Excellence-Preisträgerin), Martin Bauer (Leiter IT-Didaktik, BMBWF), Veronika Cottlehuber (Head of Digital Service Center, Siemens), Maria Ettl (Direktorin Hertha Firnbergschulen), Doris Lippert (Head of Microsoft Consulting Services/Geschäftsleitung) und Ute Schmid (Professorin für Kognitive Systeme, Universität Bamberg). Christine Wahlmüller-Schiller (Unternehmerin und IT-Fachredakteurin) war begeistert über die ungewohnten fünf Frauen und einen Mann auf dem Podium und moderierte die Runde.

Eine MINT-Klasse für jede Schule

Maria Ettl, Direktorin der Hertha Firnberg Schulen für Wirtschaft und Tourismus in Wien 22, engagiert sich seit vielen Jahren dafür, Gender Mainstreaming als Diversitäts- und Inklusions-Thema in der Schule zu implementieren. Unter dem Motto „Wir holen uns die Technik in die Schule“ gibt es in Kooperation mit dem FH-Technikum Wien an den Hertha Firnberg Schulen seit zehn Jahren eine MINT-Klasse. Durch gezielte Arbeit zur Gender Diversität sei der Mädchen- und Bubenanteil mittlerweile gleich groß. Es sei enorm wichtig, MINT-Fächer sichtbar zu machen und an den Schulen anzubieten. Der MINT-Bereich verändere sich zudem sehr schnell—„nach fünf Jahren sind die Lehrpläne veraltet, und die Schulen sollten die Curricula viel stärker autonom festlegen dürfen.“ Essentiell sei auch die Lehrer_innenfortbildung und ein wertschätzendes Gehalt, damit die besten und engagiertesten Köpfe sich für die Arbeit in der Schule entschieden.

Beschleunigte Digitalisierung

Martin Bauer, Leiter der Abteilung Präs/15 IT-Didaktik im Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung, betonte ebenfalls den Aspekt der Lehrer_innenfortbildung und erläuterte, wie sehr das coronavirusbedingte Distance Learning die Digitalisierung—teils unfreiwillig—vorangetrieben habe. Die Fächerkombination beispielsweise von Sprachen mit MINT-Fächern sei entscheidend für die Vermittlung von digitaler Grundbildung. „Ich wünsche mir, dass jedes Kind in seiner Schulzeit einmal etwas programmiert hat.“ Die Schule müsse wegkommen vom Frontalunterricht, „es geht darum, die Kinder anzuregen und für Informatik zu interessieren.“ Computational Thinking sei unerlässlich, „um ein digital kompetentes Leben zu führen.“

Doris Lippert, Head of Microsoft Consulting Services, war in ihrer Jugend sehr erstaunt darüber, nur zwei weitere Mädchen in ihrer HTL-Klasse anzutreffen. Ihrer Meinung nach gebe es in Sachen Informatik zu wenige Vorbilder für junge Leute. „Es ist sehr schade, dass wir in Österreich eine Pandemie brauchen, um die Digitalisierung voranzutreiben.“ Durch ihre Schulbildung in Wirtschaftsinformatik sei sie auch mit Themen wie Data Science und Security in Berührung gekommen, „denn Informatik ist nicht nur Coding.“ Die Wirtschaft suche Frauen und stelle diese auch ein: „Frauen ziehen Frauen an, und Frauen stellen mehr Frauen ein.“

Jobgarantie Informatik

Veronika Cottlehuber, Head of Digital Service Center bei Siemens, wollte schon als Fünfjährige Mathematik studieren. Quasi aus Faulheit entschied sie sich für Informatik als Nebenfach, wobei sie „Programmieren eher frustrierend fand.“ Faszinierend sei für sie aber die Frage nach Effizienz gewesen: „Wie kann ich mit der Informatik mein Leben einfacher machen?“ Sie sei durch Zufall in die Informatik reingewachsen. Entscheidend sei die „Freiheit in der Informatik, und dass man seine Werte vorantreiben kann.“ Eine weitere wichtige Erkenntnis aus ihrer eigenen Biographie: „Man findet in der Informatik immer einen Job“, egal in welchem Land man sich gerade befinde.

Kreativität gefragt

Linda Arab ist Bachelorstudentin der Medieninformatik an der TU Wien und Siemens Award for Excellence-Preisträgerin. Auch sie kam eher über Umwege zu ihrem Fach. Da sie keine HTL besuchte, traute sie sich zunächst kein Informatikstudium an der TU zu und entschied sich für Wirtschaftsinformatik an der Universität Wien. Sie merkte dann schnell, dass ihr Interesse an Informatik größer war als das an Wirtschaft und wechselte an die TU. Sie interessiert sich nicht nur für theoretische Informatik und Logik, sondern kann ihre Kreativität mit dem Programmieren von Apps und dem Designen von Spielen voll ausleben. Sie empfahl Frauen „sich die Informatik einfach mal anzuschauen und das Programmieren auszuprobieren.“

Liebe auf den zweiten Blick

Ute Schmid, Professorin für Kognitive Systeme und frisch vom Girls Day an der Universität Bamberg dazu geschaltet, erzählte von begeisterten Studentinnen, die ihr Glück in der Informatik gefunden hätten. „Frauen entdecken die Informatik oft erst auf den zweiten Blick“, das sei ihr selbst auch so gegangen. Außerdem brauche es „Rollenmodelle, Rollenmodelle, Rollenmodelle“, um den Frauenanteil in der Informatik zu erhöhen. An der Universität Bamberg liegt dieser übrigens bei 30 Prozent, und Ute Schmid, selbst Frauenbeauftragte der Fakultät, gewann im Jahr 2018 den Minerva Gender Equality Award von Informatics Europe für ihre Universität. Auch sie strich den kreativen Aspekt der Informatik hervor: „Die Kreativität, die Vielfalt der Informatik kommt mir in den Schulen noch zu kurz.“ Sie zeigte sich außerdem überzeugt: „Neigungen und Begabungen entdecken muss man schon früh anfangen, am besten in der Grundschule.“

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